Auf der ganzen Welt werden Schritte unternommen, nicht-konsensuales sexuelles Handeln zu kriminalisieren und Konsens rechtlich verpflichtend zu machen.
Auf der ganzen Welt gibt es Fortschritte dabei, zu definieren, was Konsens ist, zum Beispiel in der DSGVO in der EU, der New York Bill in den USA, im neuen Strafgesetzbuch der Republik Malta oder bei den jüngsten Entwicklungen in Spanien.
Wir wollen zu diesem Fortschritt beitragen und sprechen uns für eine global vereinheitlichte Herangehensweise im Sinne des Artikels 36 der Istanbul-Konvention und des Richtlinien-Vorschlags der Europäischen Kommission, Vergewaltigungen basierend auf dem Tatbestandsmerkmal fehlenden Konsenses strafbar zu machen, aus.
Die Legaldefinition von Konsens wurde bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin vorgestellt, um den Kommissionsvorschlag, Vergewaltigungen auf der Grundlage fehlenden Konsenses zu bestrafen, zu unterstützen. Bei der Diskussion ging es um die Etablierung einer Kultur des Konsenses in Europa, basierend auf der Bedeutung von sexuellem und sozialen Konsens.
Wir schlage diese Definition als Grundlage für das Sexualstrafrecht vor:
Die Wahrung der körperlichen und sexuellen Autonomie sowie Integrität wird durch das Einholen eines Einverständnisses zu einer sexuellen Handlung gewährleistet. Voraussetzung ist eine ehrliche, respektvolle, aufrichtige und offene Kommunikation. Die beklagte Partei ist für die Einholung des Einverständnisses verantwortlich. Das Einverständnis muss für jede sexuelle Handlung zwischen den Parteien eingeholt werden und kann jederzeit widerrufen werden. Das Einholen eines Einverständnisses muss auch für sexuelle Handlungen im digitalen Raum erfolgen, um das Recht auf Privatsphäre und Diskretion zu schützen und Verleumdungen zu unterbinden. Das Einverständnis muss informiert, freiwillig und aus autonomen Gründen ohne den Erhalt oder die Bereitstellung einer finanziellen Gegenleistung erteilt werden. Eine Einwilligung setzt zudem voraus, dass die entsprechende Fähigkeit zur Willensbildung vorhanden ist.
Es wird vermutet, dass ein Einverständnis im Rahmen eines Machtungleichgewichts in Bezug auf den Zugang zu Netzwerken, Ressourcen und/oder Wissen weder eingeholt noch erteilt werden kann, solange die beklagte Partei nicht das Gegenteil beweist. Erfasst wird jede Form von Ungleichheit zwischen den Parteien, einschließlich, aber nicht beschränkt auf ein Ungleichgewicht in Zugang oder eine Eingeschränktheit von Freiheit in Bezug auf jegliche Mittel, die rechtliche, ökonomische, soziale oder anderweitige Vulnerabilitäten zur Folge haben.
Die beklagte Partei kann ein Einverständnis nie durch Drohungen, Gewalt oder andere Arten von Zwang, Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht, Vulnerabilität oder Abhängigkeit einholen. Ein Einverständnis kann weder durch Penetranz, Manipulation, emotionale Drohungen oder Erpressung eingeholt werden noch durch Schuldzuweisungen, wenn sexuelle Handlungen als Ausgleich dargestellt werden. In diesem Kontext ist Zwang als Einschüchterung, Bedrängung, Beherrschung oder Kontrolle definiert. Täuschung oder die Behauptung falscher Tatsachen beinhalten jedenfalls, aber nicht abschließend, dass Missverständnisse seitens des Opfers über die Identität der beklagten Partei, der Situation oder der Art der Handlung herbeigeführt, ausgenutzt oder deren Aufklärung unterlassen werden.
Es wird vermutet, dass ein Einverständnis nicht stillschweigend durch Nicht-Mitteilung oder Nichtstun erteilt werden kann, es sei denn, die beklagte Partei beweist das Gegenteil. Ein Einverständnis kann nicht durch eine Person erteilt werden, welche keine Willensfreiheit ausüben kann, einschließlich Personen in einem Zustand, der die Erteilung eines Einverständnisses beeinträchtigt, wie z.B. Bewusstlosigkeit, Rausch, Schlaf, Krankheit, körperliche Verletzung, Nötigung oder Bedrängnis. Jede Person hat das Recht, ihre Willensfreiheit, ihre körperliche und psychische Integrität, Autonomie und Selbstbestimmung unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechteridentität, ihres sozialen Geschlechtes oder ihrer Geschlechtscharakteristika auszuüben.
Hier sind Gründe dafür, dass wir eine solche Definition von “Konsens” brauchen:
Viele Rechtsordnungen haben sich schon von dem Mythos abgewandt, dass sexuelle Gewalt stets physische Gewalt oder die Brechung von Widerstand voraussetzt, um als Vergewaltigung zu gelten. Die verschiedenen Ansätze reichen von “Nein heißt Nein” (Deutschland) bis zu “Ja heißt Ja” (Schweden).
Außerdem kann die bloße Zustimmung des Opfers nicht immer mit Konsens gleichgesetzt werden.
Konsens meint nicht bloß die verbale Zustimmung. Jemandes Zustimmung bedeutet nicht immer gleich Konsens. Zwischenmenschliche Beziehungen sind in ihrer Dynamik oft von Machtungleichgewichten gekennzeichnet, was ebenso berücksichtigt werden muss, wie der spezifische Kontext des sexuellen Übergriffs.
Jede:r, der oder die eine andere Person sexuell berühren möchte hat die Verantwortung sicherzustellen, dass die andere Person dazu ihren Konsens erteilt. Sich auf Mutmaßungen, Hoffnungen, Konsens in der Vergangenheit, Vergewaltigungsmythen oder Vorurteile zu verlassen ist mit den Prinzip vollständigen und informierten Konsenses unvereinbar. Berührungen sexueller Natur sind nur gerechtfertigt, wenn die Person ihren Konsens erteilt hat.
Konsens kann nur von einer dazu fähigen Person erteilt werden, wobei die Fähigkeit orts- und situationsabhängig ist. Zunächst erteilter Konsens zu sexuellen Aktivitäten bedeutet nicht, dass dieser Konsens zu einer späteren Zeit noch gilt. Eine Person kann nicht konsensfähig sein, wenn sie nicht in der Lage ist, verständige Entscheidungen zu treffen, egal ob als Folge von Berauschung, Angst, Irrtum oder geistiger Beeinträchtigung. Eine Person kann bei Bewusstsein, aber dennoch konsensunfähig sein.
Staatsanwält:innen sollten fehlenden Konsens des Opfers nicht beweisen müssen. Stattdessen sollte der Angeklagte beweisen müssen, dass für die sexuelle Berührung Konsens vorlag.
Zum Beispiel sollte man anstatt zu fragen: “War das Opfer so verängstigt, dass es nicht wirksam Konsens erteilen konnte?”, fragen: “Stand es dem/ der Angeklagten zu, das Opfer zu berühren, obwohl er/ sie wusste, dass das Opfer verängstigt war?”.
Weil der Konsens einer verängstigten Person nicht als Grundlage für vollständigen und informierten Konsens herangezogen werden kann, können die Handlungen des Täters/ der Täterin nicht auf dessen Grundlage gerechtfertigt werden.
Zentraler Gegenstand von Strafverfahren sollte die Frage sein, ob der/ die Angeklagte die sexuelle Autonomie des Opfers gewahrt hat, indem ihm Zeit, Raum, die Freiheit von Beeinflussung und die nötigen Informationen gewährt wurden, um eine Entscheidung zu treffen.
Das Gesetz sollte vorsehen, dass eine strafrechtliche Verurteilung dann erfolgt, wenn die sexuelle Autonomie des Opfers missachtet wurde, weil der/ die Angeklagte: Das Einvernehmen der anderen Person nicht eingeholt hat, die andere Person getäuscht hat oder ihr Informationen vorenthalten hat, die für eine informierte Entscheidung nötig sind, oder sie unter Druck gesetzt hat. Ein Angeklagter/ eine Angeklagte kann sich nicht rechtfertigend auf Konsens berufen, wenn er oder sie wusste, dass die andere Person berauscht war.
Soziale und kulturelle Normen und Einstellungen haben eine Gesellschaft genährt, in der sexuelle Gewalt akzeptiert ist und normalisiert wird, sodass Täter ein Gefühl von (tatsächlicher oder wahrgenommener) Unantastbarkeit haben. Das ist rape culture.
Warum sollte die Sicherheit wegen der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsort gefährdet werden?
Eine weltweit gültige Definition von Konsens entsprechend dem vorgeschlagenen Text, kann das Recht von Personen auf Sicherheit überall gewährleisten. Wenn alle sich ihres Rechts auf einvernehmliches Verhaltens bewusst sind, können sie dieses Recht auch einfordern.
Ausnahmslos alle Rechtsordnungen sollten klarstellen, dass nicht-konsensuale sexuelle Handlungen mit Zwangscharakter Menschenrechtsverletzungen sind.
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